Unsere Motivation:

Gegenwärtig ist es nahezu unmöglich, Lebensmittel hinsichtlich ihrer vielfältigen Nachhaltigkeitsleistungen zu bewerten, da Informationen über die gesamte Prozesskette nicht umfänglich einsehbar sind. Um das steigende Informationsinteresse der Konsument_innen und damit einen verantwortungsvollen Konsum (Ziel 12 der Sustainable Development Goals, UN 2016) von Lebensmitteln zu ermöglichen, werden im Projekt relevante Informationen über Lebensmittel in einer übersichtlichen Form am point-of-sale für die Verbraucher_innen verfügbar gemacht werden.

Die Verantwortung der Konsument_innen birgt sowohl persönliche (z.B. die eigene Gesundheit), gesellschaftliche (z.B. die Arbeitsbedingungen während der Produktion) als auch umweltrelevante Aspekte (z.B. Einsatz von Pflanzenschutzmittel). Mit einer gesunden, ausgewogenen und verantwortungsvollen Ernährung können in Abhängigkeit des Umweltindikators Umweltentlastungspotentiale von 10–25% erreicht werden (Jungbluth et al. 2011, Meier & Christen 2012, Meier 2015, Weingarten et al. 2016). Dieses Potential kann jedoch nur ausgeschöpft werden, wenn die Konsument_innen entsprechende Informationen vorfinden und dahingehend sensibilisiert werden.

Aus diesem Grund entwickeln wir im Projekt eine Datengrundlage, Datenbanken und Algortihmen, so dass in einer App Produktinformationen transparent und übersichtlich dargestellt werden. So werden Nutzer_innen über die Auswirkungen des Lebensmittelkonsums informiert und damit ein umweltfreundlicheres Verhalten ermöglicht.

Gleichfalls ermöglicht unsere Datengrundlage, dass Hersteller ihre Produkte bilanzieren können, und somit Ansätze zur Optimierung hin zu gesünderen und/oder umweltfreundlicheren Produkten erhalten können.

Unser Projekt Back to the Roots wird von der DBU gefördert und läuft für 3 Jahre seit Mai 2018.

Wie funktioniert die Umweltbewertung?

Wir berechnen Umweltprofile von handelsüblichen Lebensmitteln mittels der Methode der Ökobilanzierung (engl. Life Cycle Assessment = LCA) nach ISO-Norm 14040/44. Hierbei werden umweltrelevante Stoffströme entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Landwirtschaft, über Verarbeitung, Verpackung bis zum Supermarkt – berücksichtigt.

Verschiedene Umweltindikatoren werden mittels der Methode der Ökologischen Knappheit zu einem Wert akkumuliert, den Umweltbelastungspunkten (inkl. Treibhausgaspotential, Wasser, Biodiversität, Bodendegradation, Pflanzenschutzmittel, Nährstoffüberschüsse, Energieverbrauch und Luftverschmutzung). Neben den Umweltbelastungspunkten berechnen wir zudem auch den Klima-, Flächen- und Wasserfußabdruck.

Wie funktioniert die Gesundheitsbewertung?

Für die Gesundheitsbewertung benutzen wir den nutriRECIPE-Index (Forner 2021). Dieser liefert auf Basis von 16 erwünschten und 3 unerwünschten Lebensmittel-Inhaltsstoffen eine aggregierte Kenngröße für die Nährstoffdichte und ernährungsphysiologische Qualität von Lebensmitteln.

[Bildquelle: Frank Forner]

Die Makronährstoffe (Energie, Protein, Fett, gesättigte Fette, Kohlenhydrate, Zucker, Salz) werden auf Basis der Verzehrsempfehlungen von DGE und WHO (WHO-Publikation, Pressemitteilung DGE) bewertet. Für alle Mikronährstoffe (z.B. Vitamine und Mineralstoffe) werden die D-A-CH Referenzwerte als Zielgröße genutzt. Die Nährstoffe werden entsprechend ihres Versorgungsgrades in der Bevölkerung gewichtet berechnet. Eine Standardisierung des Endergebnisses auf 100% macht den nutriRECIPE-Index für Verbraucher leicht verständlich. Besonders ausgewogene und nährstoffdichte Lebensmittel können mit Bonuspunkten sogar mehr als 100% erreichen.

Im Vergleich zum, aktuell auch in Deutschland auf freiwilliger Basis eingeführten, Nutri-Score-Label betrachtet der nutriRECIPE-Index eine deutlich größere Anzahl an Nährstoffen, insbesondere auch Vitamine & Mineralstoffe. Desweiteren ist der nutriRECIPE-Index nicht auf 5 Stufen beschränkt, sondern erlaubt eine stufenfreie, kontinuierliche Bewertung. Die Skala des Nutri-Score ist dagegen durch feste Grenzwerte definiert, so dass bereits bei geringfügigen Anpassungen eine bessere bzw. schlechtere Gesamtnote erreicht werden kann. Für den nutriRECIPE-Index gilt: Minimal bessere Nährstoffwerte verbessern das Ergebnis ebenfalls nur minimal.

Wie berechnen wir Lebensmittel, die aus verschiedenen Zutaten zusammengesetzt sind?

Lebensmittel, die nur aus einer Zutat bestehen sind einfach zu berechnen, denn wir suchen nach der Ökobilanzierung bzw. Gesundheitsbewertung dieser einen Zutat. Bei zusammengesetzten Lebensmitteln, z.B. einer Nussmischung, ist es schwieriger. Wir können anhand der Zutatenliste normalerweise nicht die Anteile jeder einzelnen Zutat ableiten, da diese Anteile nur vereinzelt aufgeführt werden. Wir brauchen diese aber, um eine richtige Bewertung durchführen zu können.

Also berechnen wir die Anteile der Zutaten mit Algorithmen (Bohn et al. 2022). Aus den Anteilen der Zutaten setzen wir dann die Gesundheitsbewertung und Umweltbewertung zusammen.

Wissenschaftliche Begleitung des Projekt

Ein Beirat bestehend aus verschiedenen Experten begleitet und überwacht den Fortschritt des Projekts. Unsere Beiratstreffen fanden statt im März 2019, März 2020, Juni 2021 statt.
Im Projektbeirat arbeiteten mit:

  • Dr. Susanne Wiese-Willmaring (Deutsche Bundesstiftung Umwelt)
  • Thomas Hahn (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung)
  • Dr. Hyewon Seo (Umweltbundesamt)
  • Alexander Schrode (NAHhaft e.V.)
  • Jun.-Prof. Dr. Emese Domahidi (Institut für Medien und Kommunikationswissenschaft, TU Ilmenau)
  • Prof. Dr. Gabriele Stangl (MLU Halle-Wittenberg)
  • Tanja Dräger de Teran (WWF)
  • Prof. Dr. Stefan Lorkowsi (FSU Jena)

Quellenangaben

Bohn et al. 2020,

Bohn, K., M. Amberg, T. Meier, F. Forner, G. I. Stangl, P. Mäder, (2022): Estimating food ingredient compositions based on mandatory product labeling, Journal of Food Composition and Analysis, 110: 104508, https://doi.org/10.1016/j.jfca.2022.104508.

Jungbluth, N., C. Nathani , M. Stucki, M. Leuenberger (2011): Environmental Impacts of Swiss Consumption and Production. A combination of input-output analysis with life cycle assessment. Federal Office for the Environment, Bern. Environmental studies no. 1111. S. 171ff.

Meier, T., O. Christen (2012): Environmental impacts of dietary recommendations and dietary styles – The example of Germany. Journal of Environmental Science and Technology 47 (2): S. 877–888.

Meier, T. (2015): Nachhaltige Ernährung im Spannungsfeld von Umwelt und Gesundheit – Potenziale von Ernährungsweisen und vermeidbaren Lebensmittelverlusten. In: Ernährungs Umschau International, 02/15: 22-33.

Weingarten, P., J. Bauhus, U. Arens-Azevedo et al. (2016): Klimaschutz in der Land- und Forstwirtschaft sowie den nachgelagerten Bereichen Ernährung und Holzverwendung. Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz und des Wissenschaftlichen Beirats für Waldpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Berlin.